Die Bezeichnung „verstärkt abwärts“ kenne ich aus dem „HIB Konzept – Körpertraining für Pferde“. Sie beschreibt den verstärkten negativen, also abfallenden Verlauf der Wirbelsäule, von hinten nach vorn betrachtet. Naturgemäß verläuft die Wirbelsäule unserer Pferde immer bergab.
Die verstärkte Abwärtshaltung bringt viele Probleme mit sich. Unrittigkeit, Kopf hoch reißen, Hypernervosität, losstürmen des Pferdes, auf den Zügel legen, gegen das Gebiss gehen, sind nur einige Symptome, die durch diese Körperhaltung auftreten können.
Oftmals ist dieser negative Verlauf der Wirbelsäule gut versteckt im Körper des Pferdes und nicht offensichtlich zu erkennen. Man braucht schon ein geübtes Auge. Unbeabsichtigt länger gezüchtete Dornfortsätze des Widerrists, die des Öfteren durch den Einsatz von Vollblütern ein Nebeneffekt der Veredelung darstellen, können einen Aufwärtsverlauf der Wirbelsäule vortäuschen. Eine hohe Kopfhaltung wird oft als stolz und erhaben wahrgenommen, kann aber ein Indiz für dieses Phämomen sein, oder aber auch ein „gut bemuskelter Rücken“, also die Darstellung der Wirbelsäule als Rinne in der Mitte des Rückens, kann eine gute Bemuskelung vortäuschen, was aber oft nur Indiz für eine abgesackte Wirbelsäule ist, und somit eine verstärkte Abwärtshaltung.
Wie kann es sein, dass die verstärkte Abwärtshaltung zu den o. g. Problemen führt?
Um es dramatisch darzustellen: Eine verstärkt nach vorn – abwärts zeigenden Wirbelsäule „bohrt“ sich zwischen die Schulterblätter des Pferdes; denn die Verbindung zwischen Wirbelsäule und Schulterblatt ist beim Pferd ausschließlich muskulär und sehnig angelegt! Es gibt keine knöcherne, feste Verbindung, die die Wirbelsäule gar an Ort und Stelle halten kann. Die Stabilität und Ausrichtung der Körperteile zueinander in diesem Bereich ist rein abhängig von Muskelkraft und Haltevermögen des Pferdes…. Man darf sich hier nicht täuschen lassen von der Betrachtung der Rückenlinie des Pferdes, sondern sollte sich den knöchernen, tatsächlichen Verlauf der einzelnen Wirbelkörper vor Augen rufen. Also nochmal: ist dieser natürliche bergab – Verlauf nun auch noch verstärkt nach vorne unten, wird klar, was das für den Bewegungsablauf unserer Pferde bedeutet; nämlich den Verlust des natürlichen Gleichgewichts, ein ständiges „hinterherhasten“ hinter dem eigenen Schwerpunkt – denn der läuft mir ja schließlich, von der resultierenden Kraftverlaufslinie gesehen, immer einen kleines Stück verstärkt voraus…!
So ist das auf den Zügel legen oder gegen die Hand gehen oft ein Versuch Unterstützung zu finden bei dem Versuch des Pferdes, nicht „vorn über“ zu kippen; das nicht anhalten, abbremsen oder langsam gehen können ein Ausdruck eines zu weit vorn liegenden Schwerpunktes, oder das hohe oder „erhabene“ tragen des Halses / Kopfes ein Versuch des Pferdes, seinen Schwerpunkt nach hinten zu verlagern. Die Feststellung der verstärkten Abwärtshaltung kann in diesem Moment dann Abhilfe für diese und auch viele andere „Rittigkeitsprobleme“ schaffen, und die Aussage vieler ratloser Menschen wie „der will dich verarschen, zeig dem mal wer derchef ist“ völlig ausser Kraft setzen.
Was tun bei verstärkt abwärts ...?